Einführungsvortrag zur Vernissage am 15. Mai 2011 im Frankfurter Künstlerclub in Frankfurt/M.

von Yvette Krummel

 

 

Fraktale

 

Eines der größten Konstruktionsgeheimnisse der Natur ist gelüftet

 


Bevor wir uns mit der fraktalen Kunst näher beschäftigen, möchte ich sehr gerne eine kurze Geschichte der fraktalen Geometrie vortragen, die man auch die „Architektur der Natur“ nennt, denn mit der Fraktalen Geometrie ist eines der größten Konstruktionsgeheimnisse der Natur gelüftet. Strukturen, die immer da waren, sich aber in verborgenen Dimensionen versteckten, werden mit dieser Mathematik sichtbar gemacht.

 

Aber was ist nun ein Fraktal?

 

Ein Fraktal ist zunächst eine Zeichnung, die mit Hilfe der fraktalen Geometrie gezeichnet bzw. berechnet wird. Diese neue Geometrie unterscheidet sich erheblich von der traditionellen, euklidischen Geometrie: der Punkt, die Gerade und der Kreis sind die Grundelemente dieser Geometrie, die uns seit 2000 Jahren so vertraut ist. Anders gesagt: eine Linie ist eindimensional, eine Fläche zweidimensional und ein räumliches Gebilde dreidimensional. Die Mathematiker hatten jedoch mit dieser klassischen Geometrie und allen Berechnungen, die Jahrhunderte lang darauf folgten, keine Möglichkeit, die komplexen Formen der natürlichen Phänomene, die uns umgeben, „mathematisch“ zu berechnen. Formen wie Wolken, Berge, Bäume, Küstenverläufe, sogar einfache Formen wie Farne, Schneeflocken usw., waren nicht berechenbar.

 

Die Chaostheorie

 

Die Chaostheorie hat sich aus diesem Unvermögen heraus entwickelt. Der Mathematiker Edward Lorenz, der offizielle Begründer dieser Theorie, rätselte 1961 über diese mathematisch nicht zu berechnenden Phänomene. Die minimalste Abweichung oder Änderung in einer seiner schon mit Computer geführten Berechnung führte völlig unerwartet zu ganz anderen Ergebnissen.
Daraus entstand seine berühmte, symbolisch gemeinte Geschichte über den Flügelschlag eines Schmetterlings, der ein Unwetter am anderen Ende der Welt auslösen kann.
1975 entdeckte Benoît Mandelbrot eine ganz neue Geometrie, die Licht in die Chaosforschung bringen sollte. Dieser franco-amerikanische Mathematiker (1924–2010) entwickelte und konzeptualisierte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine völlig neue Geometrie, die er fraktale Geometrie nannte (aus dem Latein fraktus: gebrochen, unregelmäßig, rauh).
Es handelte sich genau um diese unregelmäßigen, rauhen Strukturen, die die Mathematiker bisher nicht berechnen konnten. 1987 erschien sein revolutionäres Buch „Die fraktale Geometrie der Natur“. Die Ansätze dieser Geometrie ersannen bereits einige Mathematiker Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts und teilweise sogar noch früher.
Die Berechnungen hierzu, die damals notwendigerweise mit Bleistift und Papier durchgeführt werden mußten, führten zu kleinen, bizarren, sehr komplexen und unverständlichen Gebilden, Die damaligen Mathematiker - Cantor, von Koch, Julia, Sierpinski - nannten diese Gebilde „mathematische Monster“. Sie sahen keinen Sinn darin, sich weiter damit zu beschäftigen; sie gaben auf und vergaßen sie schließlich ganz.

 

Wie kam Mandelbrot zu seiner Entdeckung?

 

Mandelbrot, den man als rebellisches Genie bezeichnen kann, verließ die akademische Laufbahn und ging um 1960 zur Firma IBM, die um diese Zeit sogenannte Querdenker suchte. Dank der zu dieser Zeit schon großen Rechenkapazität der Computer, die IBM Mandelbrot zur Verfügung stellte, gelang es ihm, sogenannte chaotische Phänomene, wie die sich jedes Jahr wiederholenden Nilüberschwemmungen, mathematisch zu erfassen.

Er entdeckte in all diesen Phänomenen eine sich wiederholende Logik. Er erinnerte sich an diese mathematischen „Monsterkurven“, die ihn in seiner Jugend so fasziniert hatten.
Mandelbrot stellte fest, dass diese chaotisch anmutenden Phänomene nachvollziehbaren Regeln folgten. Infolgedessen konzeptualisierte er eine völlig neue Geometrie, die auf sich endlos wiederholenden Berechnungen von Algorithmen beruhte und ihm ermöglichte, auf diese Art neue, sehr komplexe Formen zu kreieren und nachzubilden, die offensichtlich der Natur und dem Leben sehr nahe standen.

Ohne die Rechenkapazitäten des Computers wäre diese Entdeckung nicht möglich gewesen. B. Mandelbrot sagte selbst: „Für die kleinste und einfachste meiner Zeichnungen hätte ein Mathematiker früher mehrere Jahrhunderte gebraucht.“
Nach einiger Zeit der Verblüffung und oft auch der Ablehnung seitens der etablierten Wissenschaft, stellten schlußendlich alle fest: Wir sind von Fraktalen umgeben: Bäume, Blumen, Wolken, Berge. Wir selbst sind fraktale Gebilde. Der Bauplan unserer Lunge, der Rhythmus unseres Herzschlags sind bekannte Beispiele. Fraktale finden sich auch als Erklärungsmodelle für chemische Reaktionen, für Strömungen, bei der Entstehung von Mischungen, wenn man z. B. einen Tropfen Farblösung in ein Glas Wasser gibt.

 

 

Fraktale sind überall in der Biologie

 

Es sind Lösungen, die die natürliche Selektion immer wieder hervorgebracht hat. Farne, mit die ältesten Pflanzen auf der Erde, zeigen diese Struktur sehr präzise. Sie sind der Inbegriff der fraktalen Struktur. Sie hat sich seit 300 Mio. Jahren nicht verändert. Besonders schöne Beispiele von Fraktalen sind: Meeresschnecken, Ammoniten, Romanesco.

 

 

Fraktale haben unsere Wahrnehmung der Welt schon stark verändert

 

Dies wird in der Zukunft noch mehr der Fall sein. Als kleines Beispiel: Ohne fraktale Geometrie gäbe es keine so kleinen, kompakten Handys, keine so „elegante“ Reduktion der riesigen Datenmengen bei Bildern und Filmen, so wie wir sie heute erleben.

 

 

Zusammenfassend weisen Fraktale folgende Merkmale auf:

 

1  Selbstähnlichkeit
2  Symmetrie
3  Entwicklungen von Strukturen, die gegen der Unendlichkeit tendieren können
4  Extreme Empfindlichkeit gegenüber geringsten Änderungen der Parameter
5  Unglaubliche Vielfalt von Strukturen und Farben

 

 

Mathematik und Kunst

 

B. Mandelbrot war überzeugt, dass die Kunst der Mathematik sehr nahe ist, nur dass sie verschiedene Sprachen sprechen. Er sagte, dass die Fraktale es geschafft haben nicht nur Ästhetik, sondern auch Sinnlichkeit in die Mathematik zu bringen. Durch diesen Formenreichtum und den damit verbundenen ästhetischen Reiz spielen sie in der Kunst eine große Rolle und haben dort das Genre der Fraktalen Kunst hervorgebracht.

 

 

Und nun die oft gestellte Frage:

wie arbeitet der Künstler mit den Fraktalen?

 

Die Antwort lautet: Er bildet die Natur nach, indem er mit ihrem eigenen Konstruktionssystem arbeitet: mit der fraktalen Geometrie. Er komponiert (mit Hilfe des Rechners) mit schier endlos vielen Parametern eine Vielfalt an Formen und Farben, so wie die Natur es selbst auch tut. Darüber hinaus ist er natürlich auf der Suche nach Darstellungen jenseits der bekannten und vorstellbaren Graphiken.

 

Ich hoffe, dass meine Ausführungen nicht zu lange waren und dass ich Sie neugierig gemacht habe. Ich habe sicherlich mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.

Wenn Sie noch Fragen haben, werden wir sie, soweit möglich, sehr gerne beantworten. Wir sind während der gesamten Ausstellungsdauer anwesend, so dass auch später immer noch das Eine oder Andere angesprochen werden kann.

 

Herzlichen Dank, dass Sie so geduldig zugehört haben.

 

 

www.fractal-fineart.de

 

 

 

 

 

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